Wir sind immer die Guten (German Edition) by Bröckers Mathias & Schreyer Paul
Autor:Bröckers, Mathias & Schreyer, Paul [Bröckers, Mathias]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Westend Verlag GmbH
veröffentlicht: 2019-02-22T00:00:00+00:00
Joffe und Kornelius, die sich â ausgelöst durch die ZDF-Kabarettsendung â im Frühjahr 2014 öffentlich zu ihren Verbindungen äuÃerten, halten dagegen, sie lieÃen sich durch all diese Organisationen nicht in ihrer Arbeit und ihren politischen Einschätzungen beeinflussen oder gar lenken. Doch selbst wenn dem so wäre, was man zumindest anzweifeln darf: Wer sagt eigentlich, dass es zwingend eine Art Gehirnwäsche von Journalisten geben muss? Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass überhaupt nur jene Kollegen den Zugang zu Spitzenposten erhalten, die schon vorher grundsätzlich mit dem beschriebenen Elitenkonsens übereinstimmen? Wer die gewünschten Grenzen der Debatte bereits von sich aus respektiert, bedarf schlieÃlich keiner Ãberredung mehr. Die von Joffe, Kornelius und anderen wahrgenommene eigene Unabhängigkeit kann auch als freiwilliger, vielleicht sogar unbewusster Verzicht auf kritischen Widerspruch betrachtet werden. Oder, um den berühmten Reporter Egon Erwin Kisch zu zitieren:
»Wenn Kollegen sich brüsten, sie seien nie in ihrem Schreiben beschränkt worden, nie würde ihnen ein Gedanke gestrichen, so ist das nur ein Beweis dafür, dass sie sich von selbst innerhalb der Zensurgrenzen bewegen, ihre Denkweise nirgends über die Hürden der vorgeschriebenen Ideologie hinausstrebt.«
Uwe Krüger weist auf einen weiteren wesentlichen Faktor der Konformität hin: »Durch ihre Netzwerke haben die Journalisten erhebliches Sozialkapital im US- und Nato-nahen Milieu, und dieses Sozialkapital ist nicht allein im Besitz der Journalisten, sondern auch des Milieus.« 10 Mit anderen Worten: Wer den gewünschten Konsens gegebenenfalls verlässt, verliert damit unvermeidlich einen wichtigen Teil der ihm gewährten Kontakte sowie auch des eigenen sozialen Prestiges. Denn dieses ist im Falle vieler Leitartikler nicht vollständig individuell erarbeitet, sondern zum groÃen Teil »von oben« verliehen â und kann somit auch wieder entzogen werden. Egal ob dies den Medienschaffenden selbst klar bewusst ist oder ob es für sie lediglich ein unartikuliertes Bauchgefühl bleibt: Im Ergebnis wird so jedenfalls Konformität gesichert.
Der Ukraine-Konflikt allerdings stellte diese etablierten Strukturen nun in einem gröÃeren MaÃstab auf die Probe. Das beispiellose Putin-Bashing sowie die weitgehende Verleugnung einer aggressiven westlichen Geopolitik gegenüber Russland führten, wie beschrieben, erstmals zu einer deutlich sichtbaren Spaltung zwischen Medien und groÃen Teilen des Publikums. Im (Eliten-)Mainstream zu bleiben, verlangt von Journalisten seither ein extremes, vorher kaum gekanntes Maà an Einseitigkeit, das letztlich unvermeidlich an Realitätsverlust grenzt. Wer einen wachsenden Teil der Wirklichkeit mehr oder weniger ausblenden muss, um die gewünschte Interpretation der Welt aufrechtzuerhalten, dessen Analysefähigkeit nimmt Schaden â und dieser Schaden kann ab einem gewissen Punkt kaum mehr verborgen werden.
Dies wird deutlich bei der Analyse der Kommentare von Joffe, Kornelius, Frankenberger und Stürmer zum Ukraine-Konflikt im Frühjahr 2014. Das Quartett zeigte zwar vereinzelte Unterschiede in der Bewertung, ging aber im Grundsatz konform mit der Sichtweise der transatlantischen Lobbynetzwerke, denen man auch sonst engstens verbunden ist.
So mahnte Josef Joffe beispielsweise in der Zeit Europa zur militärischen Aufrüstung und schrieb bedauernd: »Krieg kann sich die Gemeinschaft derzeit nicht leisten«. 11 Die EU-Länder hätten ihre »Hard Power« seit dem Mauerfall leider »Schritt um Schritt aus der Hand gegeben« und könnten nun wenig entgegensetzen, wo doch »Putin seine Schocktruppen an der ostukrainischen Grenze massiert«. 12
Stefan Kornelius fragte in der Süddeutschen
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